Geruchsverlust – warum er für dein Gehirn alles andere als harmlos ist

„Das kommt schon wieder.“

Diesen Satz hörte meine Klientin nach ihrer COVID-Erkrankung. Vom Arzt. Zuversichtlich, routiniert, fast nebensächlich. Doch bei ihr kam es eben nicht wieder.
Ihr Geruchssinn blieb gestört – links fast komplett weg (1/10), rechts leicht besser (2/10).

Und damit war sie nicht allein. Viele Menschen verlieren nach Infektionen, Impfreaktionen oder Hirnerschütterungen ihren Geruchssinn – und es wird kaum ernst genommen. Nur wenige erkennen:
Riechverlust ist kein harmloses Symptom. Es ist ein stiller Marker für eine tiefere Störung.


Der Sinn hinter dem Sinn – was dein Gehirn eigentlich will

Unser Gehirn hat evolutionär gesehen zwei Hauptaufgaben:

  1. uns bewegen,

  2. für unser Überleben sorgen.

Dazu bewertet es jede Sekunde alle eingehenden Signale aus unseren Rezeptoren – das nennt man Input.

Diese Informationen – aus Nase, Augen, Haut, Gleichgewicht, Muskeln, Organen – werden integriert, also miteinander verrechnet und in Bezug zu bisherigen Erfahrungen gesetzt.

Was dann passiert, ist entscheidend:
Das Gehirn erstellt eine Vorhersage:
Wie wird der nächste Moment?
Ist die Welt sicher – oder gefährlich?
Kann ich Leistung freigeben – oder muss ich bremsen?

Diese Fähigkeit zur Vorhersage nennt man Prädiktion – sie ist zentral für jede Handlung, jede Wahrnehmung, jedes Gefühl.

Wenn das Gehirn eine sichere Umgebung vorhersagt, ist volle Leistung möglich.
Wenn es jedoch Gefahr (Threat) detektiert – bewusst oder unbewusst – reduziert es die Leistung, um Energie zu sparen, Schäden zu vermeiden und dich zu schützen.

Diese Art des Energiemanagements ist kein Fehler, sondern ein Schutzprinzip. Nur:
Wenn die Inputdaten nicht stimmen – etwa weil Geruchssignale fehlen – wird die Prädiktion unsicher. Das Gehirn bleibt im Zweifel. Und das bedeutet:
Leistung wird reduziert.

Literatur:

  • Barrett, L.F. (2017). How Emotions Are Made.

  • Friston, K. (2010). The free-energy principle: a unified brain theory? Nature Reviews Neuroscience.

  • Porges, S.W. (2011). The Polyvagal Theory: Neurophysiological Foundations of Emotions, Attachment, Communication, and Self-regulation.


Warum Riechen so wichtig ist – evolutionär, emotional, neurologisch

„Na ja, manchmal ist es doch ganz gut, nichts zu riechen …“
Diesen Satz hört man oft – halb im Scherz, halb als Abwehr. Ja, Mülltonnen. Ja, Parfümwolken in der U-Bahn. Aber das ist kurzsichtig. Riechen ist viel mehr als Duft oder Gestank.

Riechen war unser erster Warnsinn.

Noch bevor wir sehen oder hören konnten, rochen wir Gefahren:

  • verdorbene Nahrung

  • toxische Gase

  • Feinde

  • kranke Artgenossen

  • Rauch / Feuer

Der Geruchssinn war immer Überlebenssinn.


Neurozeption: Wie das Gehirn Gefahr erkennt – ohne dein Bewusstsein

Nach Stephen Porges prüft unser Nervensystem ununterbrochen unbewusst:
„Bin ich sicher – oder bedroht?“

Das geschieht in tiefen Hirnarealen wie Hirnstamm, Amygdala, Insula – nicht im bewussten Denken.
Und: Geruchssignale gehören zu den direktesten Eingangssignalen überhaupt.
Sie gelangen ohne Umweg in die Systeme für Emotion, Erinnerung und Autoregulation.

Fehlt dieser Input, fehlt eine wichtige Bestätigung für „alles okay“.
Das führt zu einem ansteigenden Unsicherheitspegel im System, der als diffuse Bedrohung wirkt – selbst wenn wir das gar nicht bewusst merken.


Riechen = Sicherheit = Leistung

In der modernen Neurowissenschaft wird immer klarer:
Die wichtigste Währung im Nervensystem ist nicht Information, sondern Sicherheit.

Wenn dein Gehirn ausreichend sichere, kohärente und bekannte Signale empfängt – aus allen Sinnessystemen – dann funktioniert es im sogenannten „performance mode“:

  • Reaktionszeit gut

  • Muskeltonus effizient

  • Atmung und Herzfrequenz angepasst

  • Denken klar

  • Heilung möglich

Wenn aber ein Sinn fehlt – etwa der Geruchssinn – dann fehlt ein Puzzleteil.
Und das kann genügen, um das System in den Modus „Gefahr – lieber Energie sparen“ zu bringen.

Gerade bei ME/CFS, Long COVID oder postviralen Erschöpfungssyndromen ist das hochrelevant.


 

Was passiert im Gehirn, wenn der Geruchssinn ausfällt?

Wie erwähnt, sind viele zentrale Strukturen betroffen:

Struktur Funktion Einfluss durch Geruch
Bulbus olfactorius Primärer Eingang Aktiviert zentrale Bahnen direkt
Amygdala Emotionale Bewertung Gefahr vs. Sicherheit
Hippocampus Erinnerung Geruchslernen
Insula Körpergefühl Nähe, Ekel, Genuss
Orbitofrontaler Kortex Handlungsauswahl Bewertung von Optionen
Hypothalamus Hormon- & Temperatursteuerung Hunger, Schlaf, Cortisol
Nucleus tractus solitarii Vaguszentrum Atem, Herz, Magen
Locus coeruleus Wachheit Noradrenalin-Freisetzung
Substantia nigra Antrieb, Bewegung Dopaminsteuerung

Fazit: Geruch ist Input – und Input ist Überlebensgrundlage

Ohne klaren Input keine sichere Prädiktion.
Ohne sichere Prädiktion keine volle Leistung.
Ohne volle Leistung keine Regeneration.

Deshalb ist Riechtraining kein Luxus für Gourmets – sondern eine einfache, aber tief wirksame Methode, das Gehirn sanft zu aktivieren und wieder in Balance zu bringen.


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Geruchsverlust (Anosmie, Hyposmie) – Ursachen, Symptome und Behandlungsmöglichkeiten

Was ist Geruchsverlust?

Der Verlust oder die Beeinträchtigung des Geruchssinns wird medizinisch als Anosmie (vollständiger Verlust) oder Hyposmie (teilweiser Verlust) bezeichnet. Diese Riechstörungen können plötzlich oder schleichend auftreten und beeinträchtigen nicht nur das Riechen, sondern auch den Geschmackssinn, da dieser eng mit dem Geruchssinn verbunden ist. Wikipedia

Ursachen für Geruchsverlust

Geruchsverlust kann verschiedene Ursachen haben:

  • Infektionen der oberen Atemwege: Viren wie SARS-CoV-2 (COVID-19), Influenza oder Rhinoviren können die Riechzellen schädigen.SWR+4DIE WELT+4HNO+4

  • Chronische Nasennebenhöhlenentzündungen (Sinusitis): Entzündungen und Schwellungen der Nasenschleimhaut können den Luftstrom zur Riechschleimhaut blockieren.

  • Nasenpolypen oder anatomische Veränderungen: Polypen oder eine verkrümmte Nasenscheidewand können die Riechbahn beeinträchtigen.

  • Schädel-Hirn-Trauma: Verletzungen können die Riechnerven oder das Riechzentrum im Gehirn schädigen.

  • Neurodegenerative Erkrankungen: Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer gehen häufig mit einem frühzeitigen Riechverlust einher.

  • Medikamente und Toxine: Bestimmte Medikamente oder der Kontakt mit schädlichen Substanzen können den Geruchssinn beeinträchtigen.

Geruchsverlust nach COVID-19

Ein plötzlicher Verlust des Geruchssinns ist ein häufiges Symptom bei COVID-19. Während viele Betroffene ihren Geruchssinn innerhalb von Wochen zurückerlangen, leiden einige über Monate oder länger an anhaltenden Riechstörungen. Studien deuten darauf hin, dass Entzündungsprozesse in der Riechschleimhaut auch nach Abklingen der Infektion fortbestehen können, was zu einem anhaltenden Geruchsverlust führt. AdaDIE WELT

Symptome und Auswirkungen

Neben dem offensichtlichen Verlust des Geruchssinns können folgende Symptome auftreten:

  • Geschmacksstörungen: Da der Geschmackssinn eng mit dem Geruchssinn verbunden ist, können Betroffene eine verminderte Geschmackswahrnehmung (Ageusie) erleben.

  • Parosmie: Verzerrte Geruchswahrnehmungen, bei denen bekannte Gerüche anders oder unangenehm wahrgenommen werden.

  • Phantosmie: Wahrnehmung von Gerüchen, die nicht vorhanden sind.

Der Verlust des Geruchssinns kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen, da er die Wahrnehmung von Gefahren (z. B. Rauch, Gaslecks) und den Genuss von Speisen und Getränken beeinflusst.

Behandlungsmöglichkeiten

Die Behandlung richtet sich nach der Ursache des Geruchsverlusts:

  • Riechtraining: Ein strukturiertes Training mit verschiedenen Düften (z. B. Zitrone, Rose, Eukalyptus, Nelke) kann helfen, den Geruchssinn zu rehabilitieren. Studien zeigen, dass regelmäßiges Riechtraining die Regeneration der Riechzellen fördern kann.  Nach meinen Erfahurngen kann man den Geruchssin sehr gut trainieren mit deutlichen Verbesserungen der Riechleistung und -identifikation.

  • Medikamentöse Therapie: In einigen Fällen können Kortikosteroid-Nasensprays oder andere entzündungshemmende Medikamente eingesetzt werden, insbesondere bei entzündlichen Ursachen.

  • Chirurgische Eingriffe: Bei anatomischen Hindernissen wie Polypen oder einer verkrümmten Nasenscheidewand kann eine Operation erforderlich sein, um die Nasenpassage zu verbessern.

  • Behandlung der Grunderkrankung: Bei neurodegenerativen Erkrankungen oder anderen systemischen Ursachen steht die Behandlung der Grunderkrankung im Vordergrund.

Fazit

Geruchsverlust ist mehr als nur ein unangenehmes Symptom – er kann ein Hinweis auf ernsthafte Gesundheitsprobleme sein und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Eine frühzeitige Diagnose und gezielte Behandlung, einschließlich Riechtraining, können die Chancen auf eine Wiederherstellung des Geruchssinns verbessern.

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Hinweis: Dieser Artikel dient der allgemeinen Information und ersetzt nicht die professionelle Beratung durch medizinisches Fachpersonal.

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